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Aussiedler und Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion

Aussiedler und Spätaussiedler sind deutsche Volkszugehörige, die aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion und anderen osteuropäischen Staaten nach Deutschland zugewandert sind (Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa). Der Begriff "Aussiedler" wurde bis 1992 verwendet, ab 1993 sind es "Spätaussiedler". Menschen aus Gebieten der ehemaligen Sowjetunion werden häufig auch "Russlanddeutsche" genannt. Daneben gibt es noch die Gruppe der jüdisch gläubigen Menschen in der Sowjetunion, von denen viele seit 1991 als sogenannte "Kontingentflüchtlinge" ihren Weg nach Deutschland gefunden haben. Im Folgenden wird insbesondere auf Aussiedler und Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion Bezug genommen.

Geschichte

Im 18. Jahrhundert wanderten Tausende Deutsche in Gebiete östlich der Oder und der Neiße aus. Damals litt Deutschland unter den Folgen des sieben-jährigen Krieges und so folgten viele einem "Erlass" Katharinas der Großen, der ihnen erlaubte, sich in ihrem Riesenreich niederzulassen. Gelockt wurden sie mit dem Versprechen von Land und Privilegien (unter anderem Religionsfreiheit). Die Zuwanderer fanden anfangs gute Lebensbedingungen vor und bauten sich eine neue Existenz auf. Sie pflegten weiterhin die deutsche Sprache und Kultur.

Im Laufe der Zeit wurden jedoch die anfänglichen Privilegien abgeschafft und die deutsche Minderheit wurde zunehmend diskriminiert und verfolgt. Zeitweise wurde der Gebrauch der deutschen Sprache verboten. Unter stalinistischer Herrschaft, insbesondere während des 2. Weltkriegs, kam es dann zu einer großen Enteignungs- und Vertreibungswelle der Deutschstämmigen.

Seit 1950 wurden alle, die nachweisen konnten, (Spät-) Aussiedlerinnen und Aussiedler zu sein, von der Bundesregierung als deutsche Staatsangehörige anerkannt, ebenso deren Nachkommen und Familienangehörige (Bundesvertriebenengesetz). 

Inzwischen sind über 4,5 Millionen (Spät-) Aussiedlerinnen und Aussiedler einschließlich Familienangehörigen nach Deutschland zugewandert, davon 2,3 Millionen aus Regionen der ehemaligen Sowjetunion.

Soziale Beziehungen

Die Identität und Zugehörigkeit vieler (Spät-) Aussiedlerinnen und Aussiedler ist von einer doppelten Zugehörigkeit und gleichzeitig von Heimatlosigkeit geprägt. In der ehemaligen UdSSR wurden die deutschen Einwanderer auch in späteren Generationen als Deutsche bezeichnet. In Deutschland gelten sie als Russen. Dies führt zu einem Gefühl der Ausgrenzung und erschwert die Integration.

Die sozialen und familiären Beziehungen der (Spät-) Aussiedlerinnen und -aussiedler sind häufig von einer sehr starken Familienbindung im Rahmen der Großfamilie und einem patriarchalen Familienbild geprägt. Es besteht innerhalb der Familie und mit anderen Aussiedlern ein starker sozialer Zusammenhalt und ein hohes Maß an Solidarität. Gegenseitige Unterstützung, auch bei konfliktbehafteten persönlichen Beziehungen, gilt als selbstverständlich.

Das Generationenverhältnis ist geprägt von hohem Respekt für das Alter. Dies spiegelt sich sowohl im Zusammenleben (häufig mit mehreren Generationen) sowie in der Begegnung mit älteren Menschen im Alltag und in der Pflege wider. Ist ein Zusammenleben nicht möglich, so besteht häufig zumindest ein sehr enger Kontakt. Oft wohnen die Familienmitglieder und Freunde in der Nähe. 

Obwohl über Generationen das mitgebrachte deutschstämmige Kulturgut der Deutschen in Russland tradiert wurde, unterlagen die Sitten und Bräuche Veränderungen, die bei der Einwanderung nach Deutschland und dem Leben in Deutschland deutlich wurden und ihre Integration zum Teil erschwerten.

Kommunikation und Sprache

Trotz der Bemühungen, die mitgebrachte deutsche Kultur und Sprache zu bewahren, hatte die russische Kultur einen prägenden Einfluss. Auch führten Deportation und Flucht innerhalb der Sowjetunion zu einer starken Vermischung mit der russischen Kultur. Russisch ist für viele Aussiedlerinnen und Aussiedler die bevorzugte Kommunikationssprache, wenngleich Deutsch als Muttersprache angesehen wird. Da Deutsch jedoch häufig nicht perfekt beherrscht wird, wird es gerade in der deutschen Öffentlichkeit zurückhaltend genutzt. Im Umgang miteinander werden persönliche Interessen eher hintenangestellt.

Die Wahrung der zwischenmenschlichen Harmonie spielt eine wichtige Rolle. Nach Möglichkeit werden Auseinandersetzungen gemieden. Persönliche Kritik wird selten direkt geäußert.

Das persönliche Gespräch wird bei der Klärung wichtiger Angelegenheiten der schriftlichen oder telefonischen Kommunikation vorgezogen und erleichtert es dem Gegenüber, seine Situation offenzulegen. Der in der deutschen Kultur verbreitete „Small Talk“ ist eher unüblich. 

Die persönliche Distanz ist im Alltag und in der Kommunikation deutlich geringer. Körperberührungen, zum Beispiel das Berühren des Arms durch das Auflegen der Hand wird als Einverständnis und Sympathie empfunden. Zwischen miteinander vertrauten Menschen ist die Begrüßung sehr herzlich und findet oft durch Wangenküsse und Umarmungen statt.

Essen und Trinken

Die Esskultur in der ehemaligen Sowjetunion ist allein schon aufgrund der Größe und der verschiedenen Volksgruppen äußerst vielfältig.

Allgemein sind in der russischen Küche besonders beliebt:

  • Abwechslungsreiche Sakuski (Vorspeisen), zum Beispiel Lachs und Hering mit Salaten aus Schinken, Zunge und Würstchen, diverse Pasteten oder Fleisch- und Fischbällchen
  • Sup (Suppen) - süß oder sauer, heiß oder kalt. Richtig abgestimmt wird so ziemlich alles für die Suppen verwendet: Gemüse und Pilze, Fleisch und Fisch, Graupen und Nudeln. 
    Die Seniorin unter den Suppen ist Schtschi. Seit über hundert Jahren kommt sie zu jeder Jahreszeit auf den Tisch. Hauptbestandteil ist frischer oder gesäuerter Weißkohl, verfeinert durch Sauerampfer, Brennnesseln, Pilze sowie verschiedene Kräuter und Gewürze. Die kräftige Brühe liefern Rind- oder Schweinefleisch.
    Daneben ist Borschtsch eine weitere typische Suppe, die vor allem Rote Beete enthält.
    An heißen Tagen sind kalte Suppen, wie Okroschka oft unter Hinzugabe von Kwaß, einer gesäuerten Flüssigkeit aus Brot, mit Gemüse, Fleisch- oder Fischeinlagen, beliebt, die durch Smetana, eine sämige, saure Sahne angereichert wird.
  • Andere typische Gerichte sind Pelmeni (gefüllte Nudelteigtaschen), Manti (gedämpfte gefüllte Teigtaschen) und Blini (russische Pfannkuchen).
  • Salate, wie Olivje und Hering im Pelzmantel (Silotka Pot Schuboi)
  • Außerdem wird zu allen Speisen Brot gereicht. War es früher überwiegend Roggenbrot, so wird inzwischen auch Weizen verarbeitet. Beliebt ist insbesondere Hefegebäck.
  • Eine weitere verbreite Beilage ist Gretschka (Buchweizen), die gerne zu Fleisch oder Fischgerichten gereicht wird.

Getränke

  • Tee in Samowaren, Kwaß und Mossbeersaft sind typische russische Getränke.
    Insbesondere dem Brottrunk Kwaß, der als Erfrischungsgetränk gesehen wird, und auch dem Moosbeersaft wird eine stärkende und heilende Wirkung zugeschrieben.

Religion

Die gelebten Religionen sind so vielfältig wie die Kulturen auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR. Die meisten (Spät-)Aussiedlerinnen und Aussiedler gehören dem christlichen Glauben an (evangelisch oder katholisch). Es gibt aber auch viele orthodoxe Christen sowie Menschen, die der islamischen oder jüdischen Religion zugehörig sind. Ihre individuellen Bedürfnisse sollten bei der Beratung, Begleitung und Pflege berücksichtigt werden.

Einen guten Überblick über die verschiedenen religiösen Feier- und Gedenktage bietet Ihnen der "interkulturelle Kalender" des BAMF (Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge).
Hier geht es zum Download des Kalenders: A1 Format und A3 Format

Quellen und weitere Informationen

Quellen:

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