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Der Islam in der türkischen Community

Im Folgenden geben wir einige Hinweise zum Islam und zur türkischen Kultur, die helfen können, türkischstämmige Menschen mit Demenz besser zu begleiten und zu betreuen. Alle Hinweise zur muslimischen Lebensweise beziehen sich auf den Kontext der türkischen Kultur. Für Musliminnen und Muslime aus anderen Ländern können andere Dinge gelten.

Zudem gelten diese Besonderheiten nicht für alle Musliminnen und Muslime gleichermaßen, da sich die Gläubigen nach verschiedenen Gelehrtenschulen richten und nicht alle Muslime alle religiösen Vorgaben befolgen. Daher ist es immer sinnvoll, die Betroffenen selbst und im Zweifel die Angehörigen zu fragen.

Der islamische Glaube

Der Islam ist die zweitgrößte monotheistische Weltreligion. Innerhalb dieser Religionsgemeinschaft gibt es unterschiedliche Gruppierungen und Richtungen. Es kann an dieser Stelle daher nur ein erster Überblick zum Verständnis der religiösen Vorstellungen und Riten gegeben werden.

Für die Musliminnen und Muslime heißt Gott "Allah", "der einzige Gott". Das Wort kommt aus dem Arabischen und meint, dass es für alle Menschen, gleich welcher Religion, diesen einen Gott gibt, der die Menschen erschaffen hat. Die ranghöchste Quelle des Glaubens ist der Koran. Die Rechtsquelle neben dem Koran sind die Worte und Handlungen (arab. Sunna) des Propheten Muhammad (SAW), der den Islam als letzter Prophet überliefert hat. Der Islam ist auf mehreren Grundzügen aufgebaut und meint vor allem die Haltung einer Person zu ihrem Leben und der Lebensgestaltung.

Islam im Sinne von "Frieden" 
Der Mensch soll im Einklang mit sich und seinen Mitmenschen leben und seine Identität im Glauben haben.

Islam im Sinne von "Lebensweise"
Der Mensch entscheidet sich, nach dem Islam leben zu wollen und dies soll nach außen mit den fünf Säulen des Islam sichtbar werden. Mit der "Lebensweise" ist aber auch die innere Haltung gemeint, die mit dem Herzen verbunden ist (innerer Glaube).

Islam im Sinne von "Durchdringung"
Dies meint die Bereitschaft des Menschen, sich von Gott durchwirken zu lassen. Es geht um die Gemeinschaft mit Gott, bei der nicht Herkunft, Zugehörigkeit und Bekenntnis zählen, sondern Glaube und Tat. 

Die 5 Grundsäulen des Islam 

1. Das Glaubensbekenntnis

2. Das Gebet (türk. Namaz) 
Das Gebet wird fünfmal am Tag verrichtet: Morgengebet, Mittagsgebet, Nachmittagsgebet, Abendgebet, Nachtgebet
Wichtigste Instrumente für das Gebet:

  • Koran
  • Gebetskette
  • Gebetsteppich
  • Gebetsrichtung nach Kaaba (nach Mekka)
  • Kalender mit Gebetszeiten

3. Das Fasten (türk. Oruç im Monat Ramazan)
Die Fastenzeit geht von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Jede Form der Nahrungs- und Genussmittelaufnahme sowie der Beischlaf sind untersagt. Nach dem Sonnenuntergang wird wieder gegessen und getrunken. Man begeht das Fastenbrechen mit der Familie oder Freundinnen und Freunden - auch Nicht-Muslime werden dazu eingeladen. In der Türkei nennt man das Fest des Fastenbrechens auch Şeker Bayramı. Das bedeutet Zuckerfest, weil man in dieser Zeit viel Süßes isst. 

4. Die Almosensteuer (türk. Zekat)
Zeakat kann mit "reinigen" und auch "vermehren" übersetzt werden. Musliminnen und Muslime sind verpflichtet, einmal im Jahr Arme und Bedürftige zu unterstützen, um somit ihr Vermögen zu "reinigen" und mit göttlichem Segen zu vermehren. 

5. Die Wallfahrt (türk. Hacca gitmek)
Die Pilgerfahrt nach Mekka, auf der arabischen Halbinsel, stellt den Höhepunkt im Leben eines muslimisch gläubigen Menschen dar. Diese findet im letzten Monat des islamischen Mondkalenders statt. Jedes Jahr pilgern rund drei Millionen Musliminnen und Muslime in die Heilige Stadt und durchlaufen einen besonderen Weihezustand. 

Die 6 Glaubenssätze des Islam

1. Die Einheit Gottes
2. Die Gesandten Gottes, unter anderem: Adam, Noah, Abraham, Jakob, Josef, Moses, David, Salomon, Jesus, Muhammed
3. Die offenbarten (heiligen) Bücher: Psalter, Thora (Altes Testament), Bibel (Neues Testament), Koran
4. Die Engel, zum Beispiel: Gabriel, Mikael, Israfil und Azrael
5. Der Jüngste Tag des Gerichts und die Auferstehung
6. Die Vorherbestimmung (Schicksals-Prädestination)

Feiertage im Islam und in der türkischen Kultur

Die wichtigsten islamischen Feiertage und Feste sind der Fastenmonat Ramadan (türk. Ramazan), das Fest des Fastenbrechens und das Opferfest.

Das rituelle Fasten ist eine gottesdienstliche Handlung, die den Menschen Gott näher bringen soll. Der Körper wird dem Geist unterworfen. Stillende Mütter, Kranke sowie Reisende sollen nicht fasten. Während des Fastenmonats verzichten Gläubige tagsüber auf Nahrung und Beischlaf. Der Ramadan beginnt immer mit der ersten Sichtung der Mondsichel nach Neumond im neunten Monat des Mondjahres und dauert 29 Tage. (Ein Mondjahr hat 354 bzw. 355 Tage; ein Sonnenjahr 365 bzw. 366 Tage.) Sobald im darauffolgenden Monat wieder der Neumond erscheint, beginnt das Fest des Fastenbrechens.

Das Opferfest ist das wichtigste islamische Fest bei dem gläubige Musliminnen und Muslime nach Mekka reisen. Es dauert vier Tage. Es wird ebenfalls nach dem Mondkalender berechnet und verschiebt sich nach dem Sonnenkalender jährlich um etwa elf Tage rückwärts.

Weitere wichtige Tage im islamischen Kalender

  • Mevlid (Geburtstag des Propheten Muhammad)
  • Das islamische Neujahr
  • Ashura-Fest (Fasten- und Rettungstag des Propheten Moses)

Mehr Informationen über islamische Festtage in der Wikipedia.
Einen guten Überblick über die verschiedenen religiösen Feier- und Gedenktage bietet Ihnen der "interkulturelle Kalender" des BAMF (Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge).
Hier geht es zum Download des Kalenders: A1 Format und A3 Format

Familie und soziale Beziehungen

Im islamischen Glauben sind soziale Beziehungen von großer Bedeutung. Die Familie gilt dabei als gesellschaftliches Herzstück und der Familienzusammenhalt ist stark ausgeprägt. Es wird viel Zeit innerhalb der Familie verbracht. Solidarität und  Zusammenhalt in der Familie ist sehr groß sind. Wenn ein Familienmitglied in Not ist und Hilfe braucht, unterstützt die Familie auch finanziell.

Das Oberhaupt der Familie ist das älteste Mitglied der Familie. Die Mutter nimmt eine zentrale Rolle innerhalb der Familie ein, da sie hauptsächlich für das Wohl und die Erziehung der Kinder zuständig ist. Diese taditionelle Rollenverteilung verschiebt sich aber derzeit auch in der muslimisch geprägten Gesellschaft.

"Fürsorge den Jüngeren und Respekt den Älteren" ist ein bekanntes Sprichwort und versinnbildlicht eine Verhaltensweise der Gläubigen. Der Respekt gegenüber den Älteren wird mit einem Handkuss bezeugt. Kranken- bzw. Seniorenbesuche gelten im Islam als religiöse Verpflichtung. Daraus ergibt sich mitunter ein großer Besucherandrang in den Krankenzimmern.

Der Nachbarschaft kommt ebenfalls eine besondere Bedeutung zu und nachbarschaftliche Beziehungen werden sehr gepflegt. Auf Gastfreundschaft wird sehr viel Wert gelegt. Die Haltung "Du kommst als Fremder und gehst als Freund" ist stark verinnerlicht - egal welcher Herkunft und welcher Religion der Gast ist.

Kommunikation

Auch die Art wie wir kommunizieren ist kulturell geprägt. Dadurch kann es zu Missverständnissen kommen - unter anderem auch im Kontakt mit Ärztinnen und Ärzten, bei der Beratung oder in Pflegesituationen. 

Während Deutsche eher direkt sind, tendieren Menschen mit einem türkischen Migrationshintergrund dazu:

  • Probleme und Schwierigkeiten möglichst nicht anzusprechen,
  • indirekt zu kommunizieren und viele andere Dinge anzusprechen, bevor man zum eigentlichen Anliegen kommt,
  • eine eher blumige Redensart zu verwenden und sehr darauf zu achten, das Gegenüber nicht zu kränken.

Die oberste Priorität ist, sein Gesicht zu wahren. Viele Begründungen beginnen daher mit "Yüzüm kalmaz…", "Yüzüm yok…" - "Habe sonst kein Gesicht".

Essen und Trinken

Im Islam gibt es bestimmte Grundsätze, die mit der Nahrungsaufnahme verbunden sind:

  • Aus religiösen Gründen wird auf Schweinefleisch und Alkohol verzichtet.
  • Es wird großer Wert auf gemeinsames Essen mit der Familie gelegt.
  • Die Ernährung ist sehr reichhaltig und die frische Zubereitung sehr wichtig.
  • Die Küche ist reich an Obst und Gemüse.
  • Fleisch sollte rituell geschlachtet sein und wird dann als "helal" ("rein") bezeichnet. 
  • Blut darf weder gegessen noch getrunken werden.
  • Gelatine wird gemieden, und damit auch Lebensmittel, in denen Gelatine enthalten sein kann.

Diese Ernährungsregeln können nicht auf alle Musliminnen und Muslime übertragen werden. Die Gläubigen richten sich nach verschiedenen Gelehrtenschulen. Im Zweifel sollte man nachfragen, was einer Person wichtig ist und auch die Angehörigen zu Rate ziehen.

Pflege

Es gibt keinen anderen Bereich, in dem sich Menschen so nahe kommen, wie in der Pflege. Die üblichen Grenzen der Begegnung und Nähe sind hier außer Kraft gesetzt. Pflege greift unmittelbar in die Intimsphäre des pflegebedürftigen Menschen ein. 

Daher sollte sich die Pflege an der jeweilige Kultur der zu Pflegenden mit ihren Ritualen, Gewohnheiten und individuellen religiösen Vorstellungen orientieren. 

Besonderheiten bei der Pflege von Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis:

  • Gleichgeschlechtliche Pflege sollte ermöglicht werden. Besonders bei religiösen Ritualen spielt die Geschlechtertrennung eine wichtige Rolle und sollte eingehalten werden.
  • Die rituelle Ganzkörperwaschung sollte unter fließendem Wasser erfolgen. Diese Waschung wird vorausgesetzt, um alle religiösen Rituale zu verrichten.
  • Die kleine rituelle Waschung wird fünfmal am Tag verrichtet - ebenfalls unter fließendem Wasser - und ist die Voraussetzung für das fünfmal am Tag stattfindende Pflichtgebet und für das Rezitieren aus dem Koran.
  • Bei den Waschungen sollten sich die Pflegenden (bei Angehörigen) erkundigen, welche Hilfestellung notwendig ist.
  • Die Reinheit des Körpers spielt bei religiösen Ritualen eine wichtige Rolle, so auch die Enthaarung im Schambereich und unter den Achseln. In den meisten Fällen übernehmen Angehörige diese Aufgabe, wenn die betroffene Person dazu selbst nicht in der Lage ist.
  • Die Intimregion wird nach dem Toilettengang unter fließendem Wasser gereinigt. In Pflegeinrichtungen sind Bidets kein Standard, daher ist es ratsam eine Kanne mit Wasser oder Feuchttücher neben der Toilette zu platzieren.
  • Die Toilette darf nur mit Hausschuhen, die ausschließlich diesem Zweck dienen, betreten werden.
  • In der Wohnung werden Schuhe immer ausgezogen. So sollten auch vor den Zimmern von muslimischen Gläubigen die Schuhe ausgezogen werden. Alternativ sollte nur Schuhe getragen werden, die nicht draußen verwendet werden.
  • Als unrein gelten: Urin, Blut, Schweinefleisch, alkoholische Getränke. Nach einem Kontakt damit wird sich ein muslimischer Mensch waschen wollen.

Sterberituale

Um den letzten Willen eines muslimischen Menschen mit türkischen Wurzeln zu erfüllen, sind - nach Absprache mit den Angehörigen - bestimmte Rituale einzuhalten:

  • Unverzügliche Verständigung der Angehörigen, Bekannten oder von Mittlerpersonen aus der Gemeinde.
  • Angehörige entscheiden, ob sie einen Imam hinzuziehen oder nicht.
  • Bei praktizierenden Musliminnen und Muslimen versammeln sich die Angehörigen um den verstorbenen Menschen und verrichten Gebete.
  • Das Glaubensbekenntnis wird von Angehörigen oder von Erfahrenen ins Ohr der Verstorbenen oder des Verstorbenen gesprochen.
  • Im Vordergrund steht das Leben als Geschenk und nicht der Tod.
  • Der Leichnam wird nicht alleine gelassen, Bekannte wechseln sich ab.
  • Mund und Augen werden verschlossen und der Kopf gebunden.
  • Füße werden an den großen Zehen zusammen gebunden.
  • Die Waschung des Leichnams wird durch Erfahrene durchgeführt. Geschlechtertrennung ist sehr wichtig.
  • Die Leiche wird in ein weißes Tuch (nach bestimmter Anordnung durch Erfahrene) gehüllt und für die Bestattung vorbereitet.

Bestattung und Trauer:

  • Die Information über den Tod wird in der Regel mündlich verbreitet.
  • Bei manchen Familien erfolgt eine Anzeige in der Zeitung.
  • Überführung des Leichnams in die Türkei oder Beisetzung in Deutschland auf einem Friedhof mit muslimischen Teil (Grabrichtung ist nach Mekka).
  • Angehörige bekommen Beistand und Unterstützung vom Umfeld, zum Beispiel wird die Familie mit Essen versorgt.
  • Nach 40 Tagen wird im großen Kreise wieder für die Tote oder den Toten gebetet.

Quelle und weitere Informationen

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